Nazis in Hamburg

„von den Ereignissen am 02.06.2012 und dem Demokratieverständnis des Staates

Die Frage die mich bewegt und motiviert hat zu den Blockaden gegen den Naziaufmarsch zu gehen ist:  Wie kann das sein, dass Nazis, die es gut finden, dass Menschen aufgrund von Rassismus und Hass umgebracht worden sind, und die nach wie vor Menschen umbringen und auch sonst alles dafür tun, dass es so wird wie früher genau die gleichen Rechte haben wie Du und ich?

Ich gehöre zu den POC, die das Privileg haben, den alltäglichen Rassismus inzwischen einigermaßen, mal besser mal weniger gut, verarbeiten zu können. Meine Vorbereitung auf den Aufmarsch war es also, mich vor allem mental darauf einzustellen Rassismus in seiner sichtbaren Form zu erfahren. Die Konfrontation mit Rechtsextremen ist für POC, die auf unterschiedliche Arten mit Rassismus umgehen, eine andere als für weisse. Ich kann mich auf solchen Demos nicht so verhalten wie weisse es tun.

Auf dem Rathausmarkt haben Senat und Gäste eine Mainstreamkundgebung mit etwa 10000 mehrheitlich weissen Teilnehmern gegen Nazis und für „Vielfalt“ abgehalten. Es ist dieser Senat, der beispielsweise rassistische Altersfeststellungen durchs UKE nicht unterbindet, Asylbewerbern und Flüchtlingen keine Grundrechte einräumt und nach wie vor niemanden ohne deutschem Pass aus nicht EU_Ländern wählen lässt. Und jetzt erzählt der was von wegen wir seinen alle bunt? Wir sind nicht „alle bunt“ lieber Herr Scholz, Sie sind weiss. Sie sind ein weisser Mann und haben wie die anderen mit ihren bunten Postkarten winkenden weissen mehr Rechte und Vorteile in diesem Land als jede POC oder schwarze Frau. Wir sind nicht gleich, denn weisse, also auch Sie in ihrer Machtposition Herr Scholz, verhindern, dass wir demokratisch gleiche Rechte erhalten und gleich behandelt werden.

Die Worte der SPD und insbesondere von Olaf Scholz sind nicht ernst zu nehmen. Es ist der Senat, der es Nazis ermöglicht hat zu marschieren. Sogar durch ein Wohngebiet, damit sie nicht so leicht behindert werden können und damit das Business in der Innenstadt as usual weitergehen kann. Irgendwas muss der Senat ja machen, wenn er Nazis schon marschieren lässt! Also lässt er bunte Postkarten drucken und inszeniert sich als als unser Freund.

In Wandsbek angekommen, übrigens sehr leicht erreichbar mit der U- und S-Bahn, hat man schnell gemerkt, wie gut die allseits präsente Antifa organisiert war. Ihre Vorbereitungen der letzten Monate hatten sich gelohnt, trotz massivem, vom Senat gewollten Polizeiaufkommen (4400, fast doppelt soviel wie 2008 in Barmbek, dem ggü. standen etwa 6000-7000 Blockierer).

Dieses ernorme Polizeiaufkommen spielt tatsächlich eine Schlüsselrolle. Nicht nur durch Medien und Senat, sondern auch durch die Polizei werden Antifaschisten und Nazigegner kriminalisiert. Ihr Erscheinungsbild, Pferde, Schlagstöcke etc. soll von Nazigegnern als Provokation verstanden werden, anders ist weder ihre Anzahl, noch ihr Auftreten gegenüber den friedlichen Protestanten zu erklären. Die Polizei rechtfertigt ihr Vorgehen mit den Anweisungen, sie sei lediglich die ausführende Gewalt. Doch kann die Polizei keine Entscheidungen fällen innerhalb einer Demokratie? So wie sie sich verhalten hat und zwar nicht nur an diesem Samstag, sondern auch auf anderen Demos in ganz Deutschland, sind sie tatsächlich dass, was die Antifa ihnen vorwirft zu sein: Marionetten. Wenn sie es nicht sind, befürworten sie also ihre Vorschriften. Wie kann man das gutheissen?

Was der Antifa angelastet werden muss, ist nicht nur, dass sie fast ausschließlich mit weissen Männern besetzt ist, sondern in Teilen auch ihr Auftreten. Haben sich Antifas schon mal Gedanken darüber gemacht, wie sie auf POC wirken könnten? Teilweise laufen sie genauso rum wie Nazis inklusive Glatze und weissen Schuhbändern. Sorry, aber man kann da nicht immer erst gucken, ob ihr einen kleinen Antifaaufnäher auf Eurer Jacke habt! Kleidet Euch anders, denn viele POC lesen Euch als Nazis und das könnt ihr nicht wollen! Positiv anzumerken ist allerdings, dass keine Musik gespielt wurde, die für POC eine bestimmte Bedeutung hat und dass auch Frauen was zu sagen hatten auf der Veranstaltung.

Die einzelnen Gruppen waren bestens ausgerüstet, die Solidarität anderen Teilnehmern ggü groß, sobald einer Tränengas abbekommen hat, waren Helfer zustelle. Immer wieder werden alle motiviert. Einige Bewohner der Gegend gewähren den Gegendemonstranten Schutz in ihren Gärten oder Treppenhäusern. Schutz? Ja vor der Polizei, ihrem Tränengas, Ihren Schlagstöcken und den Wasserwerfen und Pferden. Es wurden, wie man so wunderbar sagt, keine Kosten und Mühen gescheut, es den Nazis so angenehm wie möglich zu machen und sie um jeden Preis marschieren zu lassen (und ums mal kartoffelig zu sagen, ja, auch von Ihren Steuergeldern ist Nazis der Hof gemacht worden, sie wurden sogar eskortiert. Der rote Teppich allerdings hat gefehlt, oder war der „zu bunt“ Herr Holz, äh Scholz).

Wie kann es sein, dass Menschen, die dagegen sind, dass sich Geschichte wiederholt, die sich gegen Faschismus und Rassismus aussprechen und diejenigen, die genau das personifizieren so behandelt werden? Es macht überhaupt kein Sinn! Was ist das für ein Demokratieverständnis, welche Interpretation des Grundgesetztes des Staats steck dahinter? Versucht das mal ernsthaft zu beantworten. Es ist nicht zu beantworten! Erinnert sich denn keiner daran, dass Wandsbek im zweiten Weltkrieg völlig zerbombt wurde? Sieht man es den Bauten nicht an, dass sie danach entstanden? Wie kann man dann Nazis dort gewähren lassen? Was ist das für ein Staat, der demokratiegefähredende Nazis, auf die gleiche Stufe stellt wie Nazigegner?

Nazigegner werden durchweg als Linke bezeichnet und der Begriff und die Bewegung diffarmiert. Linke werden als Bedrohung wahrgenommen. Linke haben Hoyerswerda und Solingen und NSU nicht zu verantworten! Von Linken sind seit der Wende KEINE Straftaten ausgegangen, die Menschen ihre Leben gekostet haben. Die Nazis haben seit der Wende über 1000 Menschen auf dem Gewissen!! Aber dennoch wird von Staat und Medien eine Gefahr von Links konstruiert.

Journalisten haben übrigens mehrheitlich die gesamte Blockade, die über Stunden friedlich verlief auf brennende Autos reduziert, sodass in der Bevölkerung das Bild der gewalttätigen Linken im Gedächtnis bleibt und lenken damit von der eigentlichen Gefahr, nämlich den Rechtsradikalen ab. Nazis werden vom Abendblatt, also der Springerpresse, auch als „die ewig gestrigen bezeichnet“. Als seien Nazis 90-jährige Opas und Omas, die auf 1933 hängegeblieben sind (die gibt es natürlich auch noch). Doch die Nazis von denen hier die Rede ist, haben sich bewusst für ihre faschistoide, menschenverachtende Ideologie entschieden und das heute!

Tatsächlich war es Anweisung der Polizei die Nazis in jeden Fall marschieren zu lassen. In anderen Städten sind Nazis nicht weit gekommen. Auch in HH wurde gut blockiert. Die Nazis konnten erst spät von ihrem Sammelpunkt losgehen, doch die Polizei hat all ihre zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt, um den Weg für sie freizuhalten. Sie hat ihnen geholfen eine andere Route zu nehmen und erkennbare Demonstranten an anderer Stelle eingekesselt. Immerhin hat der Weg, für den man normalerweise zu Fuss vielleicht max. eine halbe Stunde brauchen würde, für die Nazis etwa sechs Stunden gedauert.

Als Woman of Color bin ich sehr froh darüber, dass es solche Interventionen gegen Nazis gibt. Es gibt nämlich keine vernünftige Antwort auf die Frage, weshalb Nazis in diesem Land noch demonstrieren dürfen und noch viel weniger darauf, wieso Gegendemonstranten so gewaltsam behandelt werden. Daher bin ich froh darüber, dass sich aus der deutschen Geschichte heraus Antifaschisten gebildet haben, auch wenn ich in den vielen politischen Fragen mit ihnen uneins bin.

Es bleibt offen, weshalb Menschen die aktiv gegen Nazis intervenieren, kriminalisiert werden und daher mit aller Brutalität gegen sie vorgegangen wird. Es bleibt offen, weshalb sie als Linke bezeichnet und Links dabei als etwas negatives, krimininelles, gewalttätiges konstruiert wird.

Ich habe mich selbst nie als Linke bezeichnet, nur als vernünftig. Und wenn es bedeuten soll, dass Linkssein heisst, Nazis zu zeigen dass sie hier nicht erwünscht sind und Rassismus aufzudecken, nennt mich gerne Linke.“

1 Antwort to “Nazis in Hamburg”


  1. 1 Alien 5. Juni 2012 um 12:54

    Also schon wieder eine genehmigte Nazi-Demonstration, die durch massiven Polizeieinsatz geschützt wurde, während die friedlichen Occupy-Demonstranten durch massiven Polizeieinsatz entfernt wurden.

    Was soll das?

    Liebe Polizisten, für wen und gegen wen seid ihr eigentlich?


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